AK Niederösterreich-Wieser zur Teilzeitdebatte: „Vollzeit überhaupt möglich machen!“

St. Pölten (OTS) – Die aktuelle Debatte um Teilzeit verkennt die
Lebensrealität vieler –
in erster Linie jene von Frauen- in Niederösterreich. Für sie ist
Teilzeit oft nicht freiwillig, sondern die einzige Möglichkeit,
Familie und Beruf zu vereinbaren. Statt über Sanktionen zu sprechen,
sollte darüber diskutiert werden, wie Vollzeitarbeit überhaupt
ermöglicht werden kann, denn: „Nicht Teilzeit ist das Problem,
sondern ein System, das Teilzeit als Lifestyle-Entscheidung
betrachtet, unbezahlte Arbeit ausblendet und besonders Frauen dafür
mit Altersarmut bestraft“, sagt AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB
NÖ-Vorsitzender Markus Wieser. Und: „Wer Teilzeitarbeit zurückdrängen
will, ohne die Ursachen zu beseitigen, ignoriert, wie die Arbeits-,
Lebens- und Familienrealität bei uns tatsächlich aussieht“, so
Wieser.

Zahlen sprechen für sich

Wirft man einen Blick auf die Statistiken, zeigt sich: Vier von
fünf Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Die Teilzeitquote liegt bei
den Männern in Niederösterreich bei aktuell 12,3 Prozent und bei den
Frauen bei 51,5 Prozent. Betrachtet man die aktive Teilzeitquote bei
den Personen mit Kindern unter 15 Jahren, sinkt diese bei den Männern
auf 6,5 Prozent und steigt bei den Frauen auf 73,3 Prozent an. Das
weist auf eine traditionelle Verteilung von bezahlter und unbezahlter
Arbeit hin.

Nur ein Viertel aller 1,4 Millionen Teilzeitkräfte gibt an,
bewusst keine Vollzeitarbeit zu wollen – vermehrt betrifft das ältere
Arbeitnehmer:innen über 50. Der überwiegende Teil, drei Viertel aller
Teilzeitbeschäftigten, gibt Betreuungspflichten, gesundheitliche
Ursachen sowie hohen Arbeitsdruck als Gründe für die
Teilzeitbeschäftigung an. Aus- und Weiterbildung ist für viele –
Frauen und Männer – nur mit einer Teilzeitanstellung tatsächlich
möglich und leistbar, was sich auch an der großen Zahl berufstätiger
Studierender zeigt. Das Motiv hingegen, so wenig wie möglich
Lohnsteuer zu bezahlen, das häufig politisch instrumentalisiert wird,
geben nur 1,2 % der befragten Frauen und 3 % der befragten Männer an.

Im Schnitt arbeiten Teilzeitbeschäftigte 21 Stunden pro Woche.
Die Wunscharbeitszeit liegt mit rund 30 Stunden deutlich darüber –
ein klarer Hinweis, dass viele gerne mehr arbeiten würden, wenn die
Bedingungen stimmen.

Unternehmen in die Pflicht nehmen

Neben all diesen persönlichen Gründen ist Teilzeitarbeit aber
vielfach auch darin begründet, dass es seitens der Betriebe oft keine
Wahlmöglichkeit gibt, die Stunden aufzustocken. Denn Unternehmen
setzen zunehmend auf mehr Flexibilisierung durch Teilzeitkräfte. Das
zeigen auch aktuelle Daten des AMS: Der Anteil der gemeldeten reinen
Vollzeitstellen hat abgenommen (aktuell 62,5 %). Der Trend geht in
die Richtung, dass Stellen sowohl in Voll- als auch in Teilzeit
ausgeschrieben werden. Somit setzen auch Unternehmen in gewisser
Weise auf Arbeitszeitverkürzung, was die Diskussion rund um die
Arbeitszeitverkürzung um eine Facette bereichert.

So kann’s gehen

Wer heute mehr Beschäftigte in Vollzeit bringen will, muss zuerst
die strukturellen Barrieren beseitigen, die Menschen – besonders
Frauen – in Teilzeit drängen. Es geht nicht ohne ganztägige,
flächendeckende und kostenfreie Kinderbildung- und -betreuung ab dem
ersten Geburtstag – eine seit September 2020 bestehende Forderung der
Sozialpartner gemeinsam mit der Industriellenvereinigung. „Und
darüber hinaus müssen jene Branchen in die Pflicht genommen werden,
die selbst keine Vollzeitjobs anbieten, jedoch die vielen
Teilzeitarbeitsverhältnisse bemängeln“, so Wieser abschließend.