Doppelt benachteiligt in Österreich: Frauen mit Flucht- oder Migrationsbiografie erstellen Forderungskatalog

Wien (OTS) – Die Berichte von Frauen mit Migrations- und
Fluchterfahrung in
Österreich zeichnen das Bild einer besonders verletzlichen Gruppe.
Diskriminierung und Rassismus sind allgegenwärtig: am Bildungs- und
Arbeitsmarkt, bei Behörden und im Gesundheitssystem – selbst
strukturell im Asyl- und Fremdenrecht oder beim Zugang zur
Staatsbürgerschaft. Ein weiteres großes menschenrechtliches Defizit
stellt die mangelnde Repräsentation dieser Gruppe in Medien und
politischen Diskussionen dar.

Viele dieser Frauen kämpfen mit hohen Hürden beim Einstieg in den
Arbeitsmarkt. Während des Asylverfahrens ist der Zugang zu Bildung
und Arbeit sehr eingeschränkt. Auch danach fehlen ausreichende und
niederschwellige Beratungsangebote. Kinderbetreuungsplätze sind oft
Mangelware oder erst nach dem Berufseinstieg verfügbar, was die
ungleiche Aufteilung der Kindererziehung zwischen den Geschlechtern
verstärkt. Hohe bürokratische Hürden bei der Anerkennung von
ausländischen Bildungsabschlüssen und Diskriminierung bei Bewerbungen
münden häufig in prekäre Arbeitsverhältnisse und schlecht bezahlte
Jobs, die die Abhängigkeit von Ehemännern verfestigen.

Zwtl.: Leichterer Zugang zu Bildung, Antidiskriminierung und
Förderung von Selbstbestimmung und Teilhabe

„Die Frauen mit Flucht- oder Migrationsbiografien, die an der
Erstellung unseres Schattenberichts an die UNO mitgewirkt haben,
sehen den flächendeckenden Zugang zu kostenlosen oder günstigen
Bildungsangeboten und Kinderbetreuungsplätzen als entscheidend für
den Erfolg am Arbeitsmarkt und ein selbstbestimmtes Leben.“ erläutert
die Klagsverband-Juristin und Koordinatorin des Projekts Lisa
Schrammel. Bei der praktischen Umsetzung der in der UN-
Frauenrechtskonvention festgeschriebenen Menschenrechte auch für
Migrantinnen erkennen die Frauen noch zahlreiche weitere Lücken: Der
Bogen der eingeforderten Rechte spannt sich von Dolmetschleistungen
bei Behörden und Gesundheitseinrichtungen über Maßnahmen zur
Bekämpfung der Diskriminierung in öffentlichen Institutionen und bei
der Freizeitgestaltung bis hin zur Förderung von mehr
Selbstbestimmung und nicht zuletzt auch von mehr Sichtbarkeit und
politischer Teilhabe.

Zwtl.: Hintergrund zum Schattenbericht an die UNO

Derzeit läuft die bereits zehnte Staatenprüfung der UNO zur
Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) in Österreich.
Bereits bei der letzten Überprüfung (2017-2019) hatte der zuständige
Fachausschuss Mängel gerade auch bei den Rechten von Frauen mit
Flucht- bzw. Migrationserfahrung festgestellt. Daher beschäftigen
sich auch aktuelle Fragen der UNO an Österreich damit, ob hier
Verbesserungen vorgenommen wurden.

Dazu übermittelte der Klagsverband heute einen so genannten
Schattenbericht an die UNO, der diese Themen aus Sicht der
Zivilgesellschaft und mit den Stimmen selbst betroffener Frauen
beleuchtet. Der Bericht entstand unter maßgeblicher Mitwirkung von
fünf Mitgliedsorganisationen des Klagsverbands und auf Basis eines
Beteiligungsprozesses mit mehreren Gruppen betroffener Frauen in
Wien, der Steiermark und Oberösterreich. Die abgedeckten Schwerpunkte
umfassen Gleichstellung und Partizipation, Erwerbs- und Care-Arbeit,
soziale Absicherung, Bildung, Gesundheit und Selbstbestimmung sowie
Gewaltschutz und Schutz vor Ausbeutung.

Als Expertinnen für die eigenen – sich teils stark
unterscheidenden – Lebensrealitäten analysierten die Frauen ihre
gemeinsame Situation und erstellten Forderungen zur Umsetzung ihrer
Rechte. Die Frauen empfanden es als selbstermächtigend, sich aktiv in
den Prozess der Staatenprüfung einzubringen. „Solche Formate zeigen,
wie viel Wissen, Erfahrung und Lösungskompetenz in vermeintlich
‚betroffenen‘ Gruppen steckt. Was fehlt, ist oft nicht das
Engagement, sondern der Raum, gehört zu werden.“ berichtet eine
Workshopleiterin des Beteiligungsprozesses.

Zwtl.: Zitate von Teilnehmerinnen

„Ich wünsche mir mehr Unterstützung, mehr Therapiemöglichkeiten,
bessere Behandlungen. Diskriminierung wirkt sich auf unsere
psychische Gesundheit aus, und es gibt so wenig Therapieplätze. Ich
möchte, dass wir das Gefühl haben, dass wir nicht alleine sind.“

„Das System macht krank, weil es diskriminierend ist.“

„Wir sind die Frauen*, die hier sind und all das erleben. Wir
sollen gefragt und miteinbezogen werden!“

„Wir wollen die gleichen Rechte wie Österreicherinnen*: ohne
Angst leben, Sicherheit haben. Wir wollen Selbstbestimmung – immer
und überall!“

„Wie ein Boot, das auf dem weiten Ozean des Lebens treibt. Sich
in einem Schneckenhaus zu verstecken und zu versuchen, nicht verletzt
zu werden. Wie ein Schmetterling, der entkommen will. Sich in der
Ermutigung von Familie und Freund*innen verstecken. Von Nostalgie
geplagt. Versuchen zu entkommen. In ein Kissen weinen.“

#FrauenrechteAmPrüfstand #rechtehatsie #CEDAW

Zwtl.: Download:

Frauenrechte am Prüfstand: Perspektiven von Frauen mit Flucht-
und Migrationsbiografie zur Umsetzung der CEDAW in Österreich.
Partizipativer NGO-Koalitionen-Bericht im Rahmen des 10. Prüfzyklus
von Österreich zur UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau.

Zwtl.: Beteiligte Organisationen:

Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von
Diskriminierungsopfern (Koordination)

Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit &
antimuslimischer Rassismus

ZEBRA – Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum

Verein Projekt Integrationshaus

maiz – Autonomes Zentrum von und für Migrant*innen

LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen*

Die Arbeit an diesem Schattenbericht wurde durch eine Kooperation
mit der Arbeiterkammer Wien ermöglicht.